Von der größten Stadt zum höchsten Berg Schottlands. Auf alten Vieh- und Militärstraßen führt einer der schönsten Trails Europs tief in die Highlands, die bewegte Geschichte und die gewaltige Natur Schottlands.

Überblick
Wie der Namen verrät, führt der West Highland Way (WHW) in die abgeschiedene und wilde Gegend im Zentrum der westlichen Highlands. Die Bens (Berge) hier sind die höchsten der britischen Inseln, die Glens (Täler) tief und die Lochs (Seen) weit; Loch Lomand ist der größte See Großbritannien. Um den Widerstand der Clan zu brechen, haben die Briten vor hunderten Jahren die Highlands gezielt entvölkert. Entsprechend einsam ist es in den Glens noch heute; die Orte sind klein und urig. Der WHW folgt alten Militärstraßen, die die Highlands für die britische Armee entschließen sollten. Legenden, Sagen und Geschichte haben hier ihren Ursprung.
Alles ist schön grün, es gibt viele Moore und Moos – kein Wunder in einer Gegend mit viel Niederschlag. Es gilt der Rat von Jan, dem Freund eines Freundes: „Stellt Euch mental darauf ein, dass es regen wird und ärgert Euch nicht. Doch wenn es mal aufreißt, dann ist es wundervoll …“
Wichtig für die Planung: Früh, sehr früh buchen! Denn auf mehreren Etappen gibt es nur alle 10 km eine Unterkunft. Ist die ausgebucht, wird es kompliziert und teuer.
Warum gerade dieser Trail? Nach vielen Jahren Abstinenz wollte ich dem Wandern noch eine Chance geben. Doch wo sollte es hingehen? Den Jakobsweg hatte ich schon aus Klischee-Gründen gestrichen. Und ansonsten kannte ich mich nicht gut aus. Da sah ich eines Tages auf Facebook Fotos einer unglaublichen Landschaft, die Jan von seiner Wanderung auf dem WHW postete. Der Freund kam spontan mit. Und was soll ich sagen? Wir haben es nicht bereut. Man lernt das wilde Herz Schottlands kennen. Zurecht gilt der WHW als einer der Top-Trails in Europa, u.a. eben dem Kungsleden (Schweden), dem E5 (Alpenüberquerung) und dem GR 20 (Korsika). Es war der Beginn eines wunderbare Leidenschaft …

















Der Weg
Eckdaten
Länge: 154 kM
Höhenmeter: 4500 HM
Dauer: ca. 5-8 Tage, ggf. Bonustag: Besteigung des Ben Nevis
Anspruch: mittel, die einzelnen Etappen variieren aber von vielen leichten bis einzelnen herausfordernd Etappen (z.B. am nördlichen Loch Lomand)
Highlights: … war fast überall die Landschaft, aber vor allem das Glen Coe. Geliebt haben wir auch die Abende mit gutem Essen und Whisky / Bier im Pub.
Etappen planen und einteilen
Je nach Kondition und Ehrgeiz variieren die Streckeneinteilungen zwischen fünf bis acht Tagen. Üblich sind wohl sieben Tage. Wir haben es bewusst gemütlich angegangen und die längste Etappe Tyndrum-Kingshouse geteilt. Wer nicht soviel Zeit hat, die/der steige später ein, lasse also Etappen am Anfang weg.
Der WHW lässt sich dabei in 13 Abschnitte einteilen, von denen man dann an einigen Tagen mehrere läuft.
1. Milngavi (Glasgow) – Carbeth: 7 km / 2. Carbeth – Drymen: 12 km /
3. Drymen – Balmaha: 12 km / 4. Balmaha – Rowardennan: 12 km /
5. Rowardennan – Inversnaid: 11 km / 6. Inversnaid – Inveranan: 11 km /
7. Inveranan – Crianlarich: 10 km / 8. Crianlarich – Tyndrum: 10 km /
9. Tyndrum – Bridge of Orchy: 11 km / 10. Bridge of Orchy-Inverornan: 4 km / 11. Inverornan – Kingshouse: 16 km / 12. Kingshouse – Kinlochleven: 14 km / 13. Kinlochleven – Fort William: 24 km
Oft geben die Abstände zwischen den verfügbaren Unterkünften in der Planung die Etappen vor. Deshalb früh buchen!
(Fast) alle wandern den West Highland Way übrigens in Richtung Norden. Denn die Landschaft wird von Tag zu Tag spektakulärer, indem man aus dem Lowlands bei Glasgow immer tiefer in die Highlands kommt. Wander:innen in Richtung Norden haben oft auch die besser Aussicht.
Etappen – Kurzbeschreibung
Ich würde folgende Etappeneinteilung vorschlagen:
Tag 1. Milngavi – Carneth – Drymen (19km): Der erste Tag beginnt am Rande von Glasgow, der pulsierenden Metropole Schottlands. Der WHW bleibt ganz in den Lowlands und führt Dich durch kleine Orte, Feldern, Wälder und entlang kleiner Seen. Whiskyliebhaber:innen besichtigen die Glengoyne Destillery. Ein klassische Etappe zum einlaufen, die wir damals aus Zeitgründen leider ausgelassen haben.
Tag 2. Drymen-Balmaha-Rowardennan (24 km): Nun geht es in die Highlands. Die Wege sind gut und einfach zu laufen. Vom Comic Hill hast Du (bei gutem Wetter) einen fantastischen Blick auf das Loch Lomond, Schottlands größten See. Das Bild fehlt in keinem Schottland-Bildband. Der WHW führt ab Balmaha am abgeschiedenen Ostufer des Loch Lomand. Für drei Tage (bis Tyndrum) wanderst Du nun im „Loch Lomond & The Trossachs National Park“.
Tag 3. Rowardennan-Inversnaid-Inveranan (22 km): War die gestrige Wanderung am Ufer des Loch Lomands gemütlich, die Wegbeschaffenheit anstrengend. Für uns war es die schwierigste Etappe des ganzen Wegs. Der Weg wird oft ganz eng am steilen, kaum besiedelten Ostufer des Loch Lomand geführt. Über längere Passagen klettert man über Stock und Stein ständig 10 Meter hoch und danach bald wieder 15 Meter runter, was gerade bei Nässe nicht ohne ist. Wer schummeln will, nimmt z.B. ab Inversnaid das Boot zum anderen, wesentlich besser erschlossenen Westufer. Bitte aktuellen Fahrplan recherchieren. All die Schwierigkeiten wiegt die Schönheit der Landschaft auf. Am Ziel in Inveranan warten dann The Drovers Inn, eines der ältesten Hotels Schottlands. Hier sind selbst die Badezimmer mit Teppich ausgelegt. Wir fanden es urig und gemütlich, man kann es aber auch abgewohnt und schmuddlig finden.
Tag 4. Inverannan-Tyndrum (20 km): Dieser Tag führt Dich wieder auf guten Wegen; heute in das Glen Falloch bis hoch nach Crianlarich, wo es seit Drymen erstmals wieder einen kleinen Supermarkt gibt. Noch besser kann man in Tyndrum die Vorräte auffüllen. Der lokale Outdoorshop (The Green Welly Stop) hat mich gerettet, da sich die Schulsohle meiner alten Schule am Loch Lomand ablöste. Die Auswahl (nicht nur) an Wanderschuhen war für einen Laden im Nirgendwo super. Der zweite Teil der Strecke führt durch offenere Landschaften mit tollen Blicken auf die umliegende Bergwelt – wenn das Wetter mitspielt.
Tag 5. Tyndrum-Inverornan (15 km): Auf alten Militärstraßen wanderst Du auf einfachen Wegen durch ein wundervolles Tal bis Bridge of Orchy. Hinter einer Kuppe liegt hier am Rande des Ranch Moor das schöne Inveronan Hotel. Gerne wird dieser Tag auch mit der nächsten Tagestour zusammengefasst; wir haben die 31km aber lieber auf zwei Tage verteilt.
Tag 6. Inverornan-Kingshouse (16 km): Auf einfacher Strecke führt dieser Tagesetappe ins Glen Coe, das vielen als schönstes Tal Schottlands gilt. Bei schlechtem Wetter ist die Passage ausgesetzt und herausfordernd. Bei schönem Wetter genießt Du den Blick auf das weite und romantische Ranch Moor. Am Weg ins Glen Coe liegt mit dem Blackrock Cottage auch eines der ikonischsten Motive Schottlands und ein Must-Have-Bild jedes WHW-Wanders. Nachdem wir bisher nur Tage mit Bewölkung, Nebel und leichtem Regen hatten, wurden wir auf dieser Etappe erstmals mit strahlendem Sonnenschein verwöhnt. Und bis Fort William blieb es auch tagsüber trocken. Für uns war es der perfekte Tag auf dem WHW, was auch an dem herrlich im Glen Coe-Tal gelegenen Kingshouse Hotel lag. Für mich ist es das Hotel auf der Wanderung, in das ich immer nochmal zurück kehren will. In die schottische Geschichte ist das Glen Coe durch den Massenmord am Clan der MacDonalds (13. Feb. 1692) auf Befehl des britischen Königs unter Missbrauch des Gastrechts eingegangen.
Tag 7. Kingshouse-Kinlochleven (14 km): Am vorletzten Tag wanderst Du zunächst durchs Glen Coe, um dann über die Devil’s Straircase (500 Höhenmeter auf) zum höchsten Punkt des gesamten WHW zu gelangen. Nach dieser Bergwertung folgt dann der Abstieg in die schön gelegene, alte Bergbaustadt Kinlochleven, die am Ende des Loch Leven liegt, das in die offene See mündet. Ende des 19. Jahrhunderts lag hier ein Zehntel der weltweiten Aluminiumproduktion. Seit Tyndrum kannst Du hier erstmals wieder Vorräte auffrischen.
Tag 8. Kinlochleven – Fort William (24 km): Wie die vorherige Etappe führt Dich auch die letzte Etappe noch einmal in die Berge und an idyllische Orte, wie z.B. den See Lochan Luna Da Bhra. Die Ruine der Farm Tigh-na-sleubhain ist ein bekanntes Fotomotiv. Auf Initiative der Geschäftsleute von Fort William wurde der Endpunkt des West Highland Way vom Ortseingang an das Ende der Fußgängerzone verlegt. Nach einer Woche in der Abgeschiedenheit der Highlands mit ihren Glens, Bens, Lochs und einsamen Siedlungen war für uns Hamburger die Größe von Fort William (ca. 6.000 Einwohner:innen) erschlagend. Und doch waren wir froh, es geschafft zu haben.
Organisatorisches
Anreise und Rückreise:
Fähre/Zug: Wer mit der Bahn, Fernbus oder Fähre zum WHW anreist, ist ein:e Klimaheld:in. Bei der Recherche fasziniert mich gerade, dass es mit dem Zug von Aachen nur neun Stunden bis Glasgow-Milngavie sind.
Flugzeug: Klassisch ist sicherlich die Anreise mit dem Flugzeug. Natürlich bietet sich hier Glasgow an, aber auch Edinburgh ist diskutabel. Für den Rückflug ist ggf. auch Inverness interessant, da es näher an Fort William liegt. Wer den WHW mit einem längeren Schottland-Urlaub verbindet, sollte auch die Verbindungen nach Aberdeen im Blick haben.
Fernbusse: Warnung! Bitte Fernbusse in Großbritannien frühzeitig buchen. Wir wussten nicht, dass das auf der Insel üblich ist und viele Busse voll ausgebucht fahren. Wir wären beinahe aus Fort William nicht pünktlich zum Flieger in Edinburgh gekommen. Glücklicherweise wurden noch zwei Plätze frei, weil Fahrgäste nicht erschienen sind, obwohl sie die Bustickets online bezahlt hatten.
Wetter: Das regnerische Wetter zieht in Schottland meistens vom Atlantik auf. Die Westküste ist damit wesentlich niederschlagsreicher als die östliche Nordseeküste. Einige Orte am WHW verzeichnen bis zu 300 Regentage im Jahr und der fünffachen Niederschlagsmenge Hamburgs (bis 4000mm/Jahr).
Kurz: Man muss sich mental auf Regen einstellen und jeden Sonnenstrahl genießen. Von sieben Wandertagen waren bei uns drei regenfrei. Und der Regen war stets moderat, also eher Nieselregen. Am schlimmsten sind wir bei unserer Probewanderung in Hamburg naß geworden.
Fotografie: In Bildbänden wecken die grandiosen Landschaften der Highlands die Sehnsucht und Freude auf tolle Fotomotive. In der Praxis brauchen die Reisejournalisten aber vermutlich mehrere Jahre, um die wenigen regenfreien Tage für ihre Weitblick-Fotos schießen zu können. Doch Spass bei Seite: Wenn Du kein absoluter Glückspilz bist, wirst Du einige Gipfel am WHW wegen der Wolken nicht sehen. Die Sonnentage reißen es dann aber raus.
Auch Dein Handy, Deine Kamera und ggf. eine Powerbank (wenn Du Zelten gehst) sollten Feuchtigkeit abkönnen.
Verpflegung: Auf dem WHW kommt man etwa alle zehn Kilometer an der Zivilisation in Form eines Hotels oder Cafés vorbei, also einmal am Tag. Man sollte sich also genug Tagesproviant und Wasser mitnehmen. Wer sich auf dem Weg selbst verpflegt, habe bitte im Blick, dass es zwischen Drymen (Tag 2) und Fort William nur in zwei Orten echte Supermärkte gibt, nämlich in Tyndrum (Tag 4) und Kinlochleven (Tag 7). Es muss also Proviant für mehrere Tage mitgeführt werden.
Übernachtungen: Du kannst WHW mit festen Unterkünften, mit dem Zelt oder einer Kombi aus beidem machen.
Wildzelten ist in Schottland erlaubt. Nur im „Loch Lomond & The Trossachs National Park“ musst Du Dich an die vergebenen Plätze halten. Leider gibt es hier Lücken. Nach dem Skye Trail würde ich persönlich in Schottland (zumindest im Regen anfälligen Westen) nicht nochmal Zelt gehen. Doch ist das natürlich Geschmacksache.
Wenn Du in Hotels und Hostels schlafen willst, sind die Übernachtungen und die Abstände zwischen den Unterkünften Dein limitierender Faktor. Denn am Weg gibt es auf vielen Etappen nur alle 10 bis 20 km ein kleines Hotel. Ist das voll, hast Du ein echtes Problem.
Die Devise lautet also: Du musst früh, sehr früh buchen. Ansonsten wird es knapp oder teuer. Wir haben sieben Monate im Voraus gebucht, also im November für den Juni und hatten keine Probleme alle Wunschunterkünfte zu bekommen. Unterwegs haben wir auch eine Wanderin aus Dresden getroffen, die „erst“ sechs Wochen vorher gebucht hat, wo viele Unterkünfte am Weg voll waren. Als Notfalltrick ist sie öfter am Tagesende mit dem Taxi zu einer Unterkunft in einem Nachbarort gefahren.
Gerade nach dem Brexit sind die Hotelpreise in Schottland teils extrem gestiegen, so dass bald die Schweiz als preiswerte Alternative interessant werden dürfte. Wer früh sucht, findet aber noch etwas.
Gepäckservice: Zum ersten und einzigen Mal haben wir uns für eine Wanderung einen Gepäckservice gegönnt. Warum eigentlich? Denn es war einfach, erschwinglich und äußerst komfortabel. Wir mussten nur das Tagesgepäck auf dem Rücken tragen. Kamen wir abends in der Unterkunft an, war die trockene und frische Wäsche bereit. Abends ging es nach der Dusche dann in sauberen Sachen zum leckeren Essen in den (Hotel-)Pub zu gehen.
Ausrüstung:
Du brauchst auf jeden Fall gute, regenfeste Kleidung. Ich würde neben Regenjacke und Regenhose auch wetterfeste Schuhe (z.B. GTX-Modelle) für den WHW wählen. Du brauchst Schuhe mit gutem Profil, die Dir an Hängen und auf den teilweise steinigen Wegen und gerölligen Passagen Halt geben. Dass auch der Rucksack wetterfest sein sollte, erschließt sich wohl.
Wenn Du zeltest, brauchst Du natürlich ein regenfestes Zelt (mit guter Wassersäule), eine Isomatte, einen Schlafsack (gerne mit Näße-unempfindlicher Synthetikfüllung) und Kochutensilien.
Wanderstöcke finde ich auch auf dem WHW hilfreich.
Mir ist zwischen Glasgow und Fort William nur das Outdoor-Geschäft „The Green Welly Stop“ in Tyndrum bekannt, wo man zuverlässig Ausrüstung ersetzen oder z.B. eine neue Gaskartusche kaufen kann. Der Notfallplan ist unterwegs natürlich a. Online-Shopping oder b. der Pausentag mit Bus-/Zug-Fahrt nach Glasgow, Alexandria (Südspitze Loch Lomand: Hawkshead), Tyndrum oder Fort William.
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