Diese Alpenüberquerung vom Genfer See bis nach Nizza bildet den Abschluss des GR 5, einem Fernwanderweg, der an der Nordsee bei Hoek van Holland beginnt. Der südlichste Abschnitt des GR 5 ist 601 KM lang und identisch mit der französischen Grande Traversée des Alpes (GTA) (nicht zu verwechseln mit dem italienischen GTA – Grande Traversata delle Alpi).
Überblick
Die Alpen-Etappen sind mit dem bisherigen GR 5 kaum zu vergleichen. Landschaftlich unterscheiden sich die hohen Berge und tiefen Täler (und auch die Einsamkeit) stark von den Mittelgebirgen Jura und Vogesen und auch konditionell sind die etwa 20 Pässe mit (800 Höhenmetern und mehr) eine ganz andere Liga der Herausforderungen.
Die Alpenüberquerung des GR 5 lässt sich grob in vier Abschnitte teilen.
1. Savoyer Alpen: Vom Genfer See bis Landry (meine Tage 65-74) führt der GR 5 entlang hoher, spektakulärer Berge und durch tiefe, weite Täler. Dabei passierst Du mit dem Mont Blanc-Massiv auch die höchsten Gipfel Europas, die ich wegen schlechten Wetters kaum genießen konnte. Von Les Houches hast Du mit einem kurzen Tripp nach Chamonix Mont-Blanc (z.B. via Zug) die beste Chance, auf dem GTA Ausrüstung nachzukaufen; in Briançon ging das in der Nebensaison auch; in der Hauptsaison haben bestimmt noch mehr Sportläden am Weg auf. Auf diesem Abschnitt war die Versorgung mit Lebensmitteln und Unterkünften noch gut.
2. Grajische Alpen: Von Landry bis Modane bestimmt der Nationalpark Vanoise (meine Tage 74-82) und seine Wintersportorte und Berghütten den GR 5. Da in der Nebensaison in den Orten vieles geschlossen hat, solltest Du hier Lebensmittel für mehrere Tage mitführen und Dich auf Zelten / Hüttenübernachtungen einstellen.
3. Thabor Gebirge und Cottische Alpen: Von Modane bis Larche (meine Tage 82-89) könnte man gefühlt vielleicht sogar in zwei Abschnitte teilen. Denn Briançon in der Mitte teilt die Landschaft. Nach der einzigen Stadt am Weg in den Alpen beginnt mit dem Naturpark Queyras die einsamste Strecke des GTA bzw. durchwanderst Du eine der am dünnsten besiedelten Regionen Frankreichs. Unterkünfte / Wildzelten sollten gut geplant und Verpflegung und Strom für mehrere Tage mitgenommen werden. Bei mir wurde es zwischen Ceillac (Tag 87) und Saint-Étienne-de-Tinée (Tag 90) knapp mit Lebensmitteln und Strom.
4. Seealpen: Von Larche bis Nizza (meine Tage 90-99) verändern sich Landschaft und Klima noch einmal merklich und werden mediterran. Gerne hätte ich vom Nationalpark Mercantour noch mehr gesehen (siehe GR 52), doch auch die zerklüfteten Täler und kleinen Dörfern, die wie Trutzburgen auf (oder an) Berggipfeln liegen, faszinieren. Trotz der späten Saison hatte ich ab Saint-Étienne-de-Tinée keine Probleme mehr mit Unterkünften und Verpflegung.
Etappen
Tag 65: Genfer See / Saint-Gingolph bis La Chapelle-d‘Abondance – 22 km – 3100 Höhenmeter (HM) (18.09.2024)
Nach fast einer Woche Hamburg-Pause kehre ich an den Genfer See zurück. Gegenüber von Nyon beginnt in Saint Gingolph die GR 5 – Alpenüberquerung nach Nizza. Mittlerweile ist es Herbst und frisch geworden, so dass ich mehr und wärmere Kleidung (und einen dickeren Schlafsack) eingepackt habe.
Beim langen Aufstieg, der mich durch die Wolkendecke von 374m (Saint-Gingolph) auf 1916m (Col des Bise) führt, fluche ich, weil jeder Meter bergauf anstrengend ist. „Nix mit >gut eingelaufen<“ denke ich noch. Und dann kommt der immer wieder magische Moment, wenn ich einen Pass erreiche: der plötzliche Blick auf die Weite des nächsten Tals. Beim zweiten Pass des Tages, dem Pass de la Bosse, geht mir das Herz auf. Dazwischen liegt das liebliche und fast baumfreie Bise-Tal mit erholsamer Gastronomie und steilen Gipfeln ringsum. Am Ende des Tages bin ich, rechne ich die Auf- und Abstiege zusammen, unglaubliche 3.100 Höhenmeter gelaufen – eine Strecke, die ich noch nie – auch nur im Ansatz – bewältigt habe. Offensichtlich gibt es also doch einen GR 5-Trainingseffekt. Und plötzlich verstehe ich, wieso es ab Thonon-les-Bains einen alternativen, zweitägigen Einstieg in den GR 5/GTA gibt.







Tag 66: La Chapelle-d‘Abondance bis Lac Vert – 23 km – 1.900 HM (19.09.2024)
Anfangs wieder ein langer, steiler Aufstieg – heute zum Col des Mattes. Dann geht es am Berg entlang bis zum Refuge de Chésery, das „praktischerweise“ letztes Wochenende die Saison beendet hat. Also heißt es am benachbarten Lac Vert (1995m) wildcampen, ohne Hagel-Gewitter bestimmt eine romantische Erfahrung. Romantisch waren dafür aber wieder mehrere Ausblicke und das Bergpanorama, insb vom Col de Bassachaux auf den Lac de Montrion. Heute schlafe ich übrigens in der Schweiz, weil der GR 5 hier für eine halbe Tagestour über die Grenze führt.





Tag 67: Lac Vert bis Refuge de La Golese – 17 km – 1700 HM (20.09.2024)
Nach einer Nacht um den Gefrierpunkt begrüßt mich ein wolkenloser Morgen. Die Wanderung führt im Wallis (Val-d‘Illiez) lange am Hang durch Skigebiete und offenbart den Blick auf die fantastische Bergkette Dents du Midi mit dem Haute Cime (3258 m) als die höchster Erhebung. Nach den anstrengenden ersten Tagen und überwiegend geschlossenen Hütten und Berggasthöfen nutze ich die Gelegenheit, die Etappe kürzer zu halten und noch eine Hüttenübernachtung zu genießen. Mal sehen wie viele mir auf dieser Tour noch vergönnt sein werden. Ein wunderbarer Tag.









Tag 68: Refuge de La Golèse bis Refuge Alfred Wills – 28 km – 2600 HM (21.09.2024)
Die vielen Wasserfälle bleiben von diesem Tag in Erinnerung, vor allem Cascade du Rouget. Auch der Weg durch die teilweise mit Leitern gesicherte Schlucht Anciennes Gorges des Tines ist ein Erlebnis. Ansonsten steht nach dem bequemen Abstieg morgens nach Samoëns nachmittags der lange und beschwerliche (da der Weg sehr steinig ist) Aufstieg zur idyllisch gelegenen Hochebene der Almwiese bei d’Anterne an, wo Schafe gehalten werden. Die hier liegende Hütte Alfred Wills ist eher einfach.







Tag 69: Refuge Alfred Wills bis Charmonix – 26 km – 3700 HM (22.09.2024)
Der Tag beginnt mit vielen idyllischen Highlights, so dem Abschiedsblick auf die Hochebene, dem einsamen See Lac d’Anterne und dem Blick vom Pass Col d’Anterne auf das nächste Tal und – zum ersten Mal – auf das Mont Blanc-Massiv am Horizont. Es folgt der Abstieg ins nächste, einsame Tal und der erneute lange Aufstieg auf der anderen Seite. Auf dem Höhengrad zum Le Brévent (2525m) mit bewölkten Panoramablick auf das Mont-Blanc-Massivist der Weg gut durch eine zerklüftete Steinwüste geführt. Da sowohl die Gipfelbahn ins Tal und als auch die anvisierte Hütte Bellachat geschlossen haben und für den nächsten Tag sehr schlechtes Wetter (Schnee/Regen) angesagt ist, entscheide ich mich für den Abstieg als Gewaltmarsch (1100m in 2 Stunden im steilen Gelände) auf Adrenalin im Kampf gegen die Dämmerung. 12 Stunden war ich heute unterwegs. 3700 HM an einem Tag werde ich zum Glück nicht mehr auf dem GR 5 laufen. In Erinnerung bleiben aber auch die Steinböcke und Murmeltiere, die ich heute zum ersten Mal in den Alpen gesehen habe.








Tag 70: Chamonix Mont-Blanc (Pausentag) (23.09.2024)
Wegen des schlechten Wetters und der Strapazen des Vortags lege ich heute einen Tag der Regeneration und Reflexion ein. Ich muss meine Tage zukünftig anders planen, weniger auf offene Hütten hoffen, sondern davon ausgehen, dass oben alles geschlossen ist – und mich freuen, wenn es mal nicht so ist. Chamonix Mont-Blanc ist ein klassischer Wintersportort mit einer willkommenen abwechslungsreichen Gastronomie und einem breiten Outdoor-Shop-Angebot, gut um die Ausrüstung auf den Stand zu bringen.
Tag 71: Les Houches bis Refuge de Nant Borrant – 23 km – 2100 HM (24.09.2024)
Eine angenehme Wanderung führt mich heute von Les Houches (wo ich per Zug von Chamonix auf den Trail zurückkehre) zunächst auf einer Skipiste (dem langweiligsten Abschnitt des Tages) hinauf zum Pass Col de Voza. Leider ist es heute wolkenverhangen mit gelegentlichen Schauern. So fällt der Panoramablick auf den Mont Blanc aus. Den Rest des Tages steigt der GR 5 erst in das Tal ab, um dann entlang des Fluss Bon Nant zum Talanfang relativ eben zu verlaufen.



Tag 72: Refuge de Nant Borrat bis Presset – 27 km – 2500 HM (25.09.2024)
Die Hüttenwirtin verabschiedet uns heute mit den Worten, dass wir ihre letzten Gäste in diesem Jahr seien und sie heute die Herberge für diesen Winter abschließt. Und tatsächlich – so stellt sich später heraus – ist dies auch meine letzte bewirtschaftete Hüte auf dem GR5. Dank des guten Wetters ist dies eine Wanderung mit hervorragenden Ausblicken. Beim Aufstieg zum Col du Bonhomme fasziniert die Südwestflanke des Mont Massivs. Bei der phänomenalen Tour über den Gipfelgrad der Crête des Gittes bindet vor allem das Panorama der italienisch-französischen Grenzgebirgskette im Osten den Blick. Der türkisfarbene Stausee Lac de Roselend ist abends bestimmend. Ohne die folgende Nacht ist dies einer der landschaftlich herausragenden Tage meiner GR 5-Wanderung.







Tag 73: Presset bis Refuge des Presset – 8 km – 1100 HM (26.09.2024)
Den Tag halte ich kurz und steige nur im Regen zum Refuge des Presset (2514m) auf, das sich nach Saisonende als top-ausgestattete Selbstversorgerhütte präsentiert. In der Nacht zuvor hatten Windbögen mehrfach mein Zelt umgeweht bzw. die Heringe rausgerissen, so dass ich um 0.30 eingepackt habe, um ins Tal abzusteigen und schlaflos im Schutz des Carports eines Hauses auf den Tag zu warten. So genieße ich heute den halben Wandertag, habe die Hütte für mich alleine, säge Holz für den warmen Ofen und hole Schlaf nach.




Tag 74: Refuge de Presset bis Peisey-Nancroix – 28 km – 2600 HM (27.09.2024)
Der lange Abstieg (1800 HM abwärts) aus meiner komfortablen Unterkunft ist nach der ersten halben Stunde bequem und auf dem Weg gut machbar. Das Seitental weitet sich und mündet in das Haupttal mit Bahnlinie und etwas Infrastruktur in Bellentre und Landry. Hier verläuft wohl auch die Grenze zwischen dem ersten Teil meiner Alpenüberquerung, den Savoyer Alpen, und dem zweiten Teil, der mich in die Grajischen Alpen mit dem Nationalpark Vanoise führt. Ich mache den Fehler, nachmittags noch bis zum Wintersportort Peisey-Nancroix aufzusteigen. In der Zwischensaison entpuppt sich dieser als Geisterort, in dem alle ca. 15 Hotel, Läden, ja sogar der Geldautomat zu haben. Zum Glück nimmt mich beim Trampen zum Hotel in Landry bald jemand mit. Am nächsten Morgen kehre ich auf gleichem Weg wieder in die Berg und auf den GR 5 zurück.



Tag 75: Peisey-Nancroix bis Refuge du Col du Palet – 16 km – 1200 HM (28.09.2024)
Ein Nationalpark für mich alleine! Ich treffe niemand; kein Wunder, denn das Wetter im NP Vanoise ist bescheiden: auf 1700m steige ich in die Wolken/Nebel, auf 2200m fallen erste Schneeflocken, das Refuge du Col du Palet (2581m, kurz unter dem gleichnamigen Pass) ist tief eingeschneit. Alleine verbringe ich Nachmittag und Nacht; gemütlich, nachdem der Ofen (mit feuchtem Holz) endlich läuft. Die wahre Schönheit des Parc National de la Vanoise lässt sich erahnen, wenn die Wolken aufreißen – sie muss erfurchtgebietend sein. Doch auch in Nebel und Schnee entsteht ein Zauber.









Tag 76: Refuge du Col du Palet bis Val-d‘ Isère – 13 km – 1500 HM (29.09.2024)
Ich kann mein Glück kaum fassen, als mich morgens ein Winter-Wonderland mit wolkenlosen Himmel begrüßt. Durch ca 10 cm Schnee wandere ich die letzten Meter zum Col du Palet (2652m) und durchs menschenleere Skigebiet ins Tal des schönen Lac de Tignes mit den hässlichen Ortsteilen von Tignes. Über den Pas de la Tovière gelange ich nach Val‘d Isère, den bekanntesten Wintersportort der Region. Alle Orte sind in der Zwischensaison trostlose und ausgestorbene Bettenburgen mit nur wenig Infrastruktur, wohl ganz anders als im Winter und Sommer. Vor mir liegen anstrengende Tage, so dass ich die Tour heute kurz halte und unzählige Fotos mache.
Der GR 55 führt als Variante von Tignes nach Modane durch das Herz des Nationalparks. Im Vergleich zu den beiden nächsten Tagen wäre dies – rückblickend betrachtet – sicherlich die landschaftlich schönere (und kürzere) Strecke gewesen.












Tag 77: Val-d‘Isère bis Bessans – 24 km – 2900 HM (30.09.2024)
Mit 2770m ist der Pass Col de l‘Isèran der höchste Punkt auf dem GR 5 und die höchste Passstraße der Alpen. Der Aufstieg verläuft wieder langweilig durchs Skigebiet. Oben erwartet mich statt eines fantastischen Ausblicks, Touristenmassen und einem leckeren Mittagsmahl ein schneidend-kaltes Schneegestöber in völliger Einsamkeit. Doch mit dem Abstieg ins Arc-Tal wird das Wetter herbstlich-sonnig, der Weg führt durch liebliche Seitentäler und entlang von Berghängen, immer mit Panoramablick auf südliche Gipfel an der ital.-franz. Grenze mit dem Pointe de Charbonnel (3752m) als höchstem Berg.









Tag 78: Bessans – Pausentag (01.10.2024)
Meinen wöchentlichen Pausentag lege ich im kleinen und ursprünglichen, nicht mit Hotelmonstern verunstalteten und derzeit ausgestorbenem Wintersportort Bessans ein, der vor allem ein Biathlon- und Langlauf-Zentrum ist.
Tag 79: Bessans bis Refuge du Plan du Lac – 27 km – 1800 HM (02.10.2024)
Die nächsten Tage verläuft der GR 5 auf halber Höhe am Hang zwischen Arc-Tal und den Gipfeln des NP Vanoise. Das bietet herrliche Ausblick, wenn denn mal die Wolken aufreißen. So sehe ich von der Termignon-Schlucht kaum etwas, bewundere aber später vom See Ruisseau de la Chavière die Berge und Gletscher im Herzen des Nationalparks inkl. dem höchsten Gipfel, dem La Grande Casse (3.855m). Ein Erlebnis. Den Schutzraum des Refuge aber ich wieder für mich alleine.






Tag 80: Refuge du Plan du Lac bis Refuge de l‘ Arpont – 14 km – 1200 HM (03.10.2024)
Eine der landschaftlich schönsten Etappen des Weges hätte dieser Tag werden können, wenn nicht dichter Nebel / leichter Schnee mit einer Sicht von teils nur 20 Metern den Tag geprägt hätte. Da ich langsamer als gewohnt unterwegs bin und die Gefahr besteht, die nächste Hütte erst in der Dämmerung zu erreichen, halte ich die Etappe kurz und treffe im Schutzraum der Hütte erstmals andere Wanderer:innen.




Tag 81: Refuge d l‘ Arpont bis Avrieux – 22 km – 2000 HM (04.10.2024)
Schneefall und Nebel halten an. Die Sicht liegt bei max 100 Metern und manchmal ist der Weg nicht mehr zu sehen. Das Wandern in einer Höhe von 2000-2500m hat auch bei Schnee und Nebel eine gewisse Romantik. Dennoch entschließe ich mich nach einem halben Tag zu einem früheren Abstieg und gegen eine weitere Nacht in dieser undurchsichtigen Suppe. Zweimal begegne ich heute freilaufenden Hunden, die mich anknurren und begleiten, um ihre Schafherden zu beschützen – angeblich nicht ungefährlich für Wanderer:innen.




Tag 82: Avrieux bis Refuge du Mont Thabor – 24 km – 1700 HM (05.10.2024)
Nach einer Strecke über Landstraßen im Tal und einer Wegsperrung/ Umleitung bei Modane wegen Waldarbeiten steige ich von Fourneaux zum Refuge du Mont Thabor (2502m) auf, erst steil durch Wald, später durch das sich weit öffnende Tal. Erstmals ist die Hütte bzw der Schutzraum richtig voll: 18 Personen, sechs Weinflaschen und ein Hund in sieben Gruppen. Und das Wetter erlaubt tolle Ausblicke. Bei Modane beginnt übrigens der südliche Teil des GTA / GR 5 in den Alpen. Hier lässt sich gut für den Weg bis Briançon einkaufen.



Tag 83: Refuge du Mont Thabor bis Chalets des Acles – 28 km – 2700 HM (06.10.2024)
Bei leichtem Neuschnee führt der GR 5 vom Refuge und dem Pass (Col de la Vallée Étroite, 2436m) in das schöne Tavernette-Tal mit der kleinen Siedlung Les Granges de la Vallée Étroite, um dann zur nächsten Hochfläche um den See Lac Chavillion hinaufzusteigen. Auch der Abstieg durch den Sandstein in das nächste Tal ist sicherlich bei Sonnenschein noch einmal viel eindrucksvoller. Die Sonne zeigt sich erst, als ich abends von Névache-Plampinet noch in das nächste Seitental aufsteige, um im Wald hinter den Chalets des Acles wild zu campen.





Tag 84: Chalets des Acles bis Briançon – 19 km – 1600 HM (07.10.2024)
Gegen den mittags einsetzenden und für zwei Tage angesagten Dauerregen wandere ich heute an. Und in der Tat erreiche ich die beiden Pässe, u.a. Col de la Lauze (2526m), noch bei guter Sicht. Beim französisch-italienischen Grenzposten nahe Claviere (I) erreicht der Weg, mittlerweile in Wolken liegend, das Tal und führt mich zur Stadt Briançon herab.





Tag 85: Briançon – Pausentag (08.10.2024)
Briançon, übrigens die einzige richtige Stadt am GR 5 in den Alpen, hat eine hübsche Altstadt, in der aktuell vieles geschlossen ist. Die Festungsanlage thront auf mehreren Bergen, ist Teil des Weltkulturerbes und unterstreicht die besondere Lage der Stadt. Denn in der zweithöchst-gelegenen Stadt Europas (nach Davos) auf 1326m laufen fünf Täler zusammen.



Tag 86: Briançon bis La Chalp – 22 km – 2100 HM (09.10.2024)
Aus Briançon führt der GR 5 ein Tal hoch in die Wolken zum Col des Ayes (2477m). Von dort steige ich in den Naturpark Queyras ab, in dem ich nun ein paar Tage bleiben werde. Der Abstieg führt durch eine grandiose Landschaft aus steilen Felswänden, Hochebenen und Wildbächen.



Tag 87: La Chalp bis Saint-Bernard (Ceillac) – 28 km – 2900 HM (10.10.2024)
Ein klassischer Wandertag mit drei großen „Wow“. Das erste war der idyllische Bergsee Lac de Roué, das zweite die stolze Festung Fort Queyras und das dritte der fantastisch Blick zurück vom Pass Col Fromage auf die Bergsilhouette und den herbstlichen Wald. Ansonsten ging es im Wesentlichen mal wieder nur darum, quasi den ganzen Tag zu den Pass aufzusteigen und ins nächste Tal abzusteigen.





Tag 88: Saint-Bernhard (Ceillac) bis Fouillouse – 24 km – 2400 HM (11.10.2024)
Bei perfektem Herbstwetter bin ich entlang der wunderschönen Bergseen Lac Miroir und Lac Saint-Anne – in denen sich herrlich die steilen Bergketten im Hintergrund spiegeln – zum Col Girardin (2699m) aufgestiegen. Bei wolkenlosen Himmel bot sich sich hier eine denkwürdige Fernsicht. Der Abstieg führte in das wilde und schöne Ubaye-Tal, dem ich bis zum Aufstieg nach Fouillouse gefolgt. Ein perfekter Tag, abgesehen davon, dass alles zu hat und die zweite Nacht draußen um den Gefrierpunkt auf mich wartet.










Tag 89: Fouillouse bis Larche/NP Mercantour – 24 km – 2600 HM (12.10.2024)
Ein ganz normaler Wandertag über Pässe (Col de Mallemort, 2552m), entlang von Bergseen, Abstieg ins nächste schöne Tal, komplett geschlossene Infrastruktur (in Larche), Aufstieg in den wunderschönen Nationalpark Mercantour und damit der Wechsel in den letzten Abschnitt des GR 5 (GTA) in den Alpen, die Seealpen. Geschlafen habe ich wieder im Zelt, wobei die Nacht nicht so kalt wie die letzten war. Und mir gehen langsam die Vorräte aus.





Tag 90: Larche/NP Mercantour bis Saint-Étienne-de-Tinée – 27 km – 2300 HM (13.10.2024)
Im Nationalpark begrüßt mich die Morgendämmerung bevor ich in die Wolken aufsteige. Am Pas de la Cavalle (2671m) eröffnet sich ein grandioser Blick gen Süden auf das unterhalb liegende Tal Salse Morene. Nach einem weiteren Pass und dem Abstieg bis Bousiéyas entscheide ich mich schweren Herzens, den GR 5 für heute zu verlassen, damit ich es noch nach Saint-Étienne-de-Tinée schaffe. Denn meine elektrischen (und physischen) Akkus und Lebensmittel gehen zur Neige. Die 13 km durchs Tal der wilden Tinée, deren Wasser bei Nizza ins Mittelmeer fließt, verströmt schon etwas mediterranes Klima und Flair. Plötzlich fahren Busse nach Nizza …








Tag 91: Saint-Étienne-de-Tinée – Pausentag (14.10.2024)
In dem hübschen und ursprünglichen Alpenort (1120m) lege ich meinen wöchentlichen Pausentag ein. Zeit zum Einkaufen, Flanieren, Podcasts-Hören, Website pflegen, Telefonieren und Ausruhen.
Tag 92: Saint-Étienne-de-Tinée bis Vallon de Combe Maure (Vignols) – 29 km – 3.500 HM (15.10.2024)
Ein langer und trockener Tag, der aber teilweise eher diesig war. Der Aufstieg von Saint-Étienne (1140m) führt steil zum Wintersportort Auron und dann teils über Skipisten zum Col du Blainon (2008m). Durch das schöne Tal mit Weiler Roya (1508m) steigt der GR 5 lange zum nächsten Pass und zum Denkmal Stèle de Valette (2562m) auf. Dann folgen zwei sehr karge Hochplateaus, von denen ich erst in der Dämmerung und bei Vollmond zu meinem geschützten Wild-Camping-Zeltplatz in einer Talmulde gelangt bin.







Tag 93: Vallon de Combe Maure (Vignols) bis Saint-Sauveur-sur-Tinée – 19 km – 1800 HM (16.10.2024)
Es war gut, den gestrigen Tag so weit zu wandern, denn über Nacht hat es sich richtig eingeregnet und das Wetter soll zwei Tage so bleiben. So steige ich heute „nur“ bis Saint-Sauveur-sur-Tinée (510m) ab und halte den Tag vermeintlich kurz. Glück ist jedoch, wenn es mal ne halbe Stunde nicht regnet. Und so wird die Überquerung von sechs reißenden, ehemals kleinen Gebirgsbächen zum gefährlichsten Teil meiner gesamten GR 5-Wanderung. Das atmosphärische Bergdorf Roure ist die schönste Überraschung kurz vor Ende des Tages.




Tag 94: Saint-Sauveur-sur-Tinée bis Saint-Dalmas (Valdeblore) – 13 km – 1100 HM (17.10.2024)
Die Wanderung führt über gut zu bewältigende Wege mit weiter Aussicht wieder in die Berge über mehrere hübsche Bergdörfer bis nach Saint-Dalmas. Zum Dauerregen gesellt sich heute jedoch noch ein Gewitter hinzu, vor dem ich mich schließlich im kleinen und schönen Bergdorf Rimplas in Sicherheit bringen kann.



Tag 95: Saint-Dalmas (Valdeblore) – Pausentag (18.10.2024)
Der Regen der letzten beiden Tage war nicht normal, sondern entpuppt sich als so schweres Unwetter in Südfrankreich (mit bis zu 600l), das auch die deutschen Nachrichten darüber berichten. Der französische Wetterdienst warnt auch für die Region Alpes-Maritimes, in der die Seealpen und meine aktuelle Wanderstrecke liegt, vor Gefahren. Auch wenn sich das Wetter heute beruhigt, lege ich sicherheitshalber einen Pausentag ein, damit das Wasser aus den Bergen abfließen kann. Und so schaue ich mir die beindruckende, kleine Altstadt von Saint-Dalmas an.






Tag 96: Saint-Dalmas (Valdeblore) bis Utelle – 30 km – 2700 HM (19.10.2024)
Am drittletzten Tag begrüßt mich die Sonne, als ich zum letzten Mal auf über 2000m Höhe steige. Und um 11h kann ich vom Gipfel des La Caïre Gros (2087m) zum ersten Mal das Mittelmeer und Nizza sehen – ein erhebendes Gefühl. Den Rest des Tages wandere ich ziemlich weit oben entlang eines Höhenzuges, der erstaunlich steil ist und tolle Ausblicke auf die umliegenden Gipfel, Täler und Dörfer bietet – eine richtige Hochgebirgstour. Utelle, der Zielort heute, ist wieder so ein traumhaft Ort, der wie ein Adlernest auf einer Bergkuppe liegt.




Tag 97: Utelle bis Aspremont – 24 km – 2100 HM (20.10.2024)
Ich bin verblüfft, denn auch der heutige Wandertag bietet in der ersten Tageshälfte im Visuble-Tal steile Hänge und Wege. Highlights sind wieder zwei Gipfel-Orte: Levens und Aspremont, deren Altstädte mächtig mit mediterranem Flair auftrumpfen.





Tag 98: Aspremont bis Nizza – ca 13 km – ca 900 HM (21.10.2024)
Die letzten Kilometer sind ein Spaziergang, zunächst noch über einen Bergrücken, dann durch die Randgebiete von Nizza. Kein Highlight, aber die letzten Schritte durch die Stadt gehören dazu. Nach 2227 km komme ich bei 23 Grad und Sonne am Mittelmeer an – glücklich und stolz, erleichtert und erschöpft, erfüllt von tollen Erlebnissen und dankbar, es geschafft zu haben.





Fazit
Die Alpen sind eine faszinierende und beeindruckende Landschaft. Ich liebe die grandiosen Berge, die einsamen Bergseen, die wilden Bäche und Flüsse, das Leben auf den Berghütten, Adler, Steinböcke und Murmeltiere und wie sich am Pass plötzlich der Blick auf unbekannte Gipfel und das nächste Tal eröffnet. Zweifellos ist die Alpenüberquerung der spektakuläre Abschlussakt des GR 5, der viele Strecken vorher in den Schatten stellt.
Doch hat der Genuss seinen Preis bzw möchte ich hier zwei Einschränkungen machen.
Erstens: Ich bin den GR 5 in der absoluten Nebensaison gewandert. Viele Hotels, Berghütten, Campingplätze, Skilifte, Lebensmittelgeschäfte etc. schließen zum Ende der Sommersaison (Mitte September) und machen teilweise zur Wintersaison (ab Dezember) wieder auf. Das hat mich vor allem im mittleren Alpen-Teil und den reinen Wintersportorten des GR 5 teilweise sehr in die Bredouille gebracht. Denn auf Websites und Reiseführer ist hier kein Verlass, notfalls muss man anrufen. Wer also hier in der Nebensaison wandert, muss entsprechend planen und autonom sein: teilweise Wild-Zelten und stets Reserven an Lebensmitteln und Strom (fürs Handy, Foto, Navigation) für mehrere Tage mitführen.
Zweitens hat der GR 5 in den Alpen ca 80.000 Höhenmeter, wenn man die Auf- und Abstiege zusammen rechnet. Das waren durchschnittlich 2.200 HM mit vollem Gepäck (inkl. Zelt, Isomatte, Schlafsack, Lebensmitteln, Kocher und Gas). Wanderst Du in der Hauptsaison, kannst Du kürzere Etappen laufen, findest mehr Unterkünfte vor und kannst häufiger einkaufen, brauchst also weniger Gepäck. Ansonsten muss in der Nebensaison die Schönheit der Tour mit mehr Gewicht, längeren Tagen und weniger Komfort erkauft werden. Dafür hat man aber die Landschaft (fast) für sich alleine …
Am Ende bin ich froh, glücklich und stolz diese Alpenüberquerung gewandert zu sein, die ein bleibendes Erlebnis ist. Und gleichzeitig bin ich erleichtert, dass ich es geschafft habe und mir nun (erstmal) keine vergleichbare Tour vorgenommen zu haben.
Ach ja: Jeder Tag hatte unbeschreibliche Highlights, wenn das Wetter mitgespielt hat. Müsste ich eine schönste Strecke rausgreifen, wäre es wohl der Nationalpark Vanoise, vor allem wenn man die Variante GR 55 nimmt.
Hinterlasse einen Kommentar